Metanavigation:

Hier finden Sie den Zugang zur Notfallseite, Kontaktinformationen, Barrierefreiheits-Einstellungen, die Sprachwahl und die Suchfunktion.

Navigation öffnen
Dickdarm eines Patienten mit Colitis ulcerosa, gefärbt mit CD19 (rot), CD3 (grün), Eomes (dunkelblau), CD34 (cyan), EpCAM (magenta) und CD103 (gelb), aufgenommen mit MELC. Bildrechte: A. Hauser

02.07.2022

Weniger Tierversuche durch die Multiplex-Mikroskopie

Zurück zur Übersicht

Sie befinden sich hier:

Dickdarm eines Patienten mit Colitis ulcerosa, gefärbt mit CD19 (rot), CD3 (grün), Eomes (dunkelblau), CD34 (cyan), EpCAM (magenta) und CD103 (gelb), aufgenommen mit MELC. Bildrechte: A. Hauser
Dickdarm eines Patienten mit Colitis ulcerosa, gefärbt mit CD19 (rot), CD3 (grün), Eomes (dunkelblau), CD34 (cyan), EpCAM (magenta) und CD103 (gelb), aufgenommen mit MELC. Bildrechte: A. Hauser

Im Bereich der Immundynamik versuchen Forschende der Charité, die komplexen Abwehrreaktionen des Immunsystems zu verstehen. Bis vor wenigen Jahren verwendete die Arbeitsgruppe von Prof. Anja Hauser dafür Gewebeschnitte von Mäusen. Mittlerweile hat sich das geändert – auch mithilfe der Unterstützung durch Charité 3R. Das Projekt „Multiplex-Mikroskopie“ ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass „Replace“ und „Reduce“ in bestimmten Bereichen möglich sind.

Wenn man wissen will, wie das Immunsystem auf Reize reagiert, reicht es nicht, nur die Immunzellen zu betrachten. Denn bei Abwehrreaktionen – sei es durch einen infektiösen Erreger oder bei einer Autoimmunreaktion - setzt ein dynamisches Zusammenspiel unterschiedlicher Zellarten ein. Das ist sogar notwendig, damit eine Immunreaktion einsetzen, fortwirken und auch reguliert werden kann.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Gebiet der Immundynamik interessieren sich darum für die Interaktionen der verschiedenen Zellen in Geweben. Um den physiologischen Prozess einer natürlichen Abwehrreaktion als auch eine fehlgeleitete Immunantwort verstehen zu können, müssen sie herausfinden, welche Zelltypen überhaupt am Geschehen beteiligt sind. 

Pro Experiment Einsparungen im dreistelligen Bereich 
Noch vor wenigen Jahren nutzte das Team um Prof. Anja Hauser dafür herkömmliche histologische Untersuchungsmethoden – und praktisch ausschließlich Gewebeschnitte von Mäusen. Bis die Professorin für Immundynamik 2019 eine Förderung von Charité 3R bekam. In dem Projekt konnten Hauser und ihr Team die „Multiplex-Mikroskopie (MELC)“ so weiterentwickeln, dass wesentlich mehr Zellen an einem Gewebeschnitt untersucht werden können. Ergo werden für die Versuche auch weniger Mäuse benötigt. Bei nicht wenigen Projekten liege die Zahl der eingesparten Tiere im dreistelligen Bereich, wie Anja Hauser berichtet. 

Zwei Drittel der Versuche sind heute tierfrei 
Doch das ist längst nicht alles: Die Forscher konnten die Fördermittel auch nutzen, um Antikörper und Reagenzien für „Alternativen“ zu kaufen. „Die Förderung hat uns die Tür geöffnet, humanes Gewebe anstelle von tierischen Gewebeschnitten zu nutzen“, erzählt Anja Hauser. „Wir konnten also nicht nur die Zahl der benötigten Tiere reduzieren, sondern einen Großteil sogar ersetzen.“ Die Bilanz sieht bis heute so aus, dass die Forschenden rund zwei Drittel aller Versuche an humanem Gewebe durchführen. „Replace war neben Reduce ein wesentliches Ziel des Projekts, und beides funktioniert bis heute.“

Bei der Multiplex-Mikroskopie werden Antikörper mit Fluoreszenzfarbstoff markiert und auf das Gewebe gegeben. Dadurch können Zellen, die das zum Antikörper passende Molekül auf der Oberfläche tragen, identifiziert und lokalisiert werden. Anschließend wird der Farbstoff ausgebleicht und es kann der nächste Marker darauf gegeben werden. Das Ganze kann beliebig oft wiederholt werden – in der Regel sind es 60 bis 100 Marker pro Experiment. Mit den herkömmlichen Untersuchungsmethoden konnten dagegen  nur vier Parameter, also Marker, pro Versuch gemessen werden – was die höhere Zahl an benötigten Geweben erklärt.

Nach den Versuchen werden die einzelnen Bilder computergestützt übereinandergelegt, so dass eine Art Mosaik des ganzen Gewebes entsteht. Eigens entwickelte KI-Algorithmen helfen dabei, die Zellen im Gewebeverbund wiederzufinden, deren Nachbarn aufzuspüren und aufzuzeigen, wie sich die Zellen gegenseitig beeinflussen. „Wir haben die Algorithmen weiterentwickelt, damit wir statistisch fundierte Aussagen über die Lokalisation und Interaktion der einzelnen Zellen treffen können“, betont Hauser. 

Algorithmen erlauben tiefe Einblicke in Zellverbünde 
Leistungsstarke Rechner wurden von den Charité 3R-Fördergeldern eingekauft und genutzt, um Bildanalyse-Algorithmen darauf zu trainieren, einzelne Zellen in komplexen Zellverbünden wiederzuerkennen – was in Handarbeit vermutlich Monate bis Jahre dauern würde. Machine Learning bzw. Künstliche Intelligenz hat also die immundynamischen Analysen entscheidend verbessert. Die Forschenden sind nun in der Lage, Zelltypen in der Tiefe zu analysieren, was bisher so nicht möglich war.

Dass die Weiterentwicklung der Technologie schon vor Corona-Pandemie begann, war ein glücklicher Zufall. So konnte das Forscherteam unter anderem Lungengewebe von verstorbenen Covid-19-Patientinnen und Patienten mit dem neuen Verfahren untersuchen und zum Beispiel herausfinden, dass eine Covid-bedingte Lungenfibrose eine immunvermittelte Erkrankung ist, die einer idiopathischen Lungenfibrose ähnlich ist. Das heißt: Nicht wegen des Virus selbst, sondern aufgrund einer anhaltenden Immunaktivierung wird das Lungengewebe zu festem, narbigem Gewebe umgebaut. „Dank der Förderung hatten wir zuvor ja bereits mit humanem Gewebe, das von Operationen stammte, experimentiert, und wussten dass unser Verfahren funktioniert“, sagt Hauser. „Diese Erfahrung kam uns dann in der Pandemie zu Gute und wir konnten dann sehr schnell reagieren.“

Pathologen steuern humanes Gewebe bei 
Von den Kontakten zu Operateuren und Pathologen profitiert das Team bis heute. Schließlich wird für die Versuche jede Menge humanes Gewebe benötigt. Hauser, die auch am Deutschen Rheumaforschungszentrum eine Arbeitsgruppe leitet, hat sich nach eigenen Angaben erst durch die Projektförderung ein entsprechendes Netzwerk aufgebaut. Seither wird sie von den Kolleginnen und Kollegen mit Geweben beliefert, die sie für ihre Untersuchungen braucht – beispielsweise chronisch entzündetes Darmgewebe oder Tumorgewebe. 

(Text: Beatrice Hamberger)

Links

AG Hauser

Charité 3R Förderlinie "Adding 3R Value": Multiplex-Mikroskopie in der Immunologie
 

Kontakt

Charité 3R



Zurück zur Übersicht