Ein schonender Umgang mit Labortieren ist selbstverständlich. Aber was heißt das eigentlich? Neue Erkenntnisse speziell zum Umgang mit der Labormaus wurden kürzlich in einer Fortbildungsveranstaltung an der Charité Berlin vorgestellt.
Wie fasst man eine Maus am besten an, um sie aus ihrem Käfig zu holen? Wie lässt sich durch positive Verstärkung die Lebensqualität der Labornager steigern? Solche Fragen sind nicht nur wichtig für das Tierwohl, sondern auch für die Forschung selbst. Denn gerät eine Maus unter Stress, kann das die Versuchsergebnisse beeinflussen. Es gibt also viele Gründe, wieso sich Tierärztinnen und Tierärzte, Tierpflegerinnen und Tierpfleger und Forschende mit dem Wohlergehen ihrer Labortiere eingehend beschäftigen.
Charité 3R hat deshalb eine Fortbildung gefördert, um Tierärzt*innen, Tierpfleger*innen, Studierenden und Wissenschaftler*innen die neuesten Erkenntnisse zum tierschonenden Umgang mit der Labormaus zu vermitteln. Initiiert wurde die Fortbildungsveranstaltung von den Forschungseinrichtungen für Experimentelle Medizin (FEM) der Charité. FEM-Leiter Dr. Stefan Nagel-Riedasch erklärte, das Refinement von Tierversuchen gehöre bereits in die Ausbildung angehender Wissenschaftler*innen. „Stress fängt schon bei der Tierhaltung an und setzt sich beim Handling der Tiere fort“, sagte der Veterinär. „Wir versuchen darum im Sinne der 3R-Prinzipien, den Umgang mit den Tieren weiter zu verbessern und forschen auch daran.“ Derzeit gebe es allerdings auf diesem Gebiet noch große Lücken in der Wissenschaft, stellte er fest.
Neuere Handling-Methoden erzeugen weniger Stress
Was man bereits über das richtige Handling mit Labormäusen aus wissenschaftlichen Studien weiß, dazu gab Katharina Hohlbaum, PhD einen Überblick. Die Wissenschaftlerin der Freien Universität Berlin war im Sommer 2019 mit dem „Dr. Wilma von Düring Forschungspreis“, einem Animal Welfare Award, für Ihre Doktorarbeit ausgezeichnet worden, die sich mit dem Wohlbefinden von Mäusen nach wiederholten Narkosen befasst. Im gut gefüllten Ferdinand-Sauerbruch-Hörsaal referierte sie über tierschonende Alternativen zum sogenannten „Schwanz-Handling“ – das derzeit gängigste Verfahren, um eine Maus aus dem Käfig zu holen.
Doch wie Hohlbaum durch die Analyse bereits publizierter Studien darlegte, scheinen das Cup-Handling und das Tunnel-Handling bei den Labormäusen in vielen Fällen weniger Stress, angst- und depressionsbezogenes Verhalten auszulösen.
Beim Tunnel-Handling kommen Röhren zum Einsatz. Entweder wird die Maus behutsam von der menschlichen Hand in die Röhre geleitet oder sie läuft freiwillig hinein. „Das Tier darf allerdings nicht mit der Röhre gejagt werden“, erläuterte Hohlbaum den richtigen Umgang mit dem Tunnel. Wenn sich die Maus in der Röhre befindet, kann sie rundum inspiziert werden. „Wir können die Maus nun auch von der Röhre auf die Hand leiten, indem wir sie freiwillig auf die Handfläche klettern lassen.“ Damit wird die Tunnel-Technik mit der Cup-Technik kombiniert.
Beim Cup-Handling wird die Maus auf die hohle Hand „geschaufelt“. Das heißt, die Handflächen bilden eine kleine Schüssel, so dass ein halb geöffneter bis geschlossener Hohlraum entsteht, in dem sich die Maus aufhalten kann. Das Tier kann dann zum neuen Bestimmungsort gebracht werden. „Anfangs kann man die Tiere für eine kurze Weile die Hand erkunden lassen, damit sie sich daran gewöhnen“, erklärte Hohlbaum, „allerdings ist diese Technik nicht für alle Stämme geeignet“.
Tiere langsam an Neues gewöhnen
Inwieweit Mäuse nun bei den unterschiedlichen Handling-Methoden gestresst oder verängstigt werden, wurde in Studien anhand verschiedener Parameter gemessen. Zum Beispiel an der freiwilligen Interaktion mit dem Menschen, dem Absetzen von Harn und Kot während des Handlings, dem anschließenden Explorationsverhalten, der Aufnahme von Zuckerwasser sowie den Stresshormonen. Unterm Strich schnitt das gängige Schwanz-Handling in den Experimenten am schlechtesten ab, wobei das Tunnel-Handling in der Regel noch bessere Ergebnisse erzielte als das Cup-Handling.
Nach Auskunft von Dr. Nagel-Riedasch wird an der Charité zunehmend das Tunnel-Handling eingesetzt. Grundsätzlich gilt aber: „An jede Methode müssen die Tiere erst gewöhnt werden.“
Clicker-Training gilt als kognitive Bereicherung
Um Mäuse und auch Ratten stressfrei zu trainieren, kann Clicker-Training eingesetzt werden. Der Trick: Sobald das Tier ein gewünschtes Verhalten zeigt, erfolgt ein „Click“-Geräusch und das Tier wird mit einem kleinen Leckerbissen belohnt. Wissenschaftler*innen sprechen von einer operanten Verstärkung mit positiver Konditionierung. Untersuchungen aus der Arbeitsgruppe von Dr. Jan Baumgart am Translational Animal Research Center (TARC) der Universitätsmedizin Mainz belegen: Clicker-Training reduziert Stress und angstbezogenes Verhalten von Mäusen. Hohlbaums Fazit: „Clicker-Training erhöht das Wohlbefinden der Mäuse in der Mensch-Tier-Interaktion und kann ebenfalls als kognitive Bereicherung für die Tiere eingesetzt werden.“
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