
Wie gut geht es männlichen Mäusen in der Gruppen- oder Einzelhaltung? Und könnten die Nager von einer speziellen Partnerhaltung, dem so genannten "separated pair housing", profitieren? Diesen Fragen sind Forschende der Charité in Kooperation mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin (FU) und Universität Wien in einer zwölfwöchigen Studie nachgegangen. Die Ergebnisse legen nahe, dass die drei Haltungsbedingungen nicht nur das Verhalten der Tiere, sondern auch Hormonspiegel und Körpergewicht beeinflussen.
Mäuse sind soziale Tiere. In der Natur leben sie meist in großen Familienverbänden zusammen. Manche Männchen sind jedoch auch Einzelgänger. Beides ist normal. Was in der Natur nie vorkommt ist, dass nur männliche Artgenossen in einer Gruppe zusammenleben. In der Versuchstierhaltung ist das – um die unkontrollierte Vermehrung zu verhindern – dagegen die Regel. Es sei denn, ein Mäusemännchen legt aggressives Verhalten an den Tag, was gar nicht so selten ist. Dann ist Einzelhaltung angesagt. Auch für bestimmte Experimente müssen Mäuse eine Zeitlang alleine leben, etwa um die Futteraufnahme zu kontrollieren oder Verletzungen durch andere Tiere zu vermeiden.
Den Nachbarn sehen, hören und riechen
Da die Einzelhaltung aber ein Stress-Trigger sein könnte, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Charité, der Freien Universität Berlin und der Universität Wien eine Paarhaltung der besonderen Art untersucht: Käfige, die zwei Männchen nur durch eine transparente, mit Löchern versehene Scheibe voneinander trennen, so dass sich die Tiere sehen, hören und riechen, aber eben nicht verletzen können.
„Wir dachten, dass die Partnerhaltung besser für die Tiere ist“, erzählt Dr. Kristina Ullmann, die bis September 2020 Tierschutzbeauftragte der Charité war. „Doch unsere Studie konnte diese Annahme nicht zweifelsfrei bestätigen.“ Tatsächlich zeigte sich in der von Charité 3R finanzierten Studie, dass die Tiere in Paarhaltung genauso wenig gestresst oder ängstlich waren wie ihre Artgenossen in der Einzelhaltung oder Gruppenhaltung. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es den männlichen Mäusen an der Charité auch üblicherweise ganz gut geht.
Die Studie findet keine Unterschiede in der Belastung zwischen den Haltungssystemen
„Die Befürchtung, dass unsere herkömmlichen Haltungsbedingungen belastender als die Paarhaltung für die Tiere sein könnte, die hat sich nicht bestätigt“, sagt Tierärztin Ullmann. „Insofern sehen wir unsere Studie einerseits als Bestätigung, andererseits zeigt sie, dass sich die Mäuse sehr gut an verschiedene Lebensbedingungen anpassen können, was ebenfalls sehr beruhigend ist.“ Um die Lebensqualität der Nager zu messen und miteinander zu vergleichen, haben die Forschenden zwölf Wochen lang verschiedene Parameter wie angstbezogenes Verhalten, soziale Interaktionen, Stresshormone und das allgemeine Wohlbefinden der Nager untersucht.
Ein wichtiger Indikator für das Wohlbefinden ist das Wühl- und Nestbauverhalten. Geht es den Tieren schlecht, wühlen sie kaum noch Materialien wie Futterpellets aus einem Bau und hören auf, Nester zu bauen. Dies war aber in keiner Gruppe der Fall. Auch das angstbezogene Verhalten, das durch das freiwilliges Hinaufkletterten auf eine Leiter gemessen wurde, war bei allen Studienteilnehmern im grünen Bereich. Ebenso schienen die Mäuse in keiner Gruppe gestresst zu sein – bis auf den ersten Tag in der Gewöhnungsphase, wie Untersuchungen von Stresshormonen in Kot und Haaren zeigten.
Das Haltungssystem beeinflusst Hormone, Körpergewicht und Verhalten
Trotz der recht homogenen Ergebnisse hinsichtlich der Belastung gab es durchaus einige Unterschiede zwischen den Haltungssystemen. Die Sexualhormone deuteten darauf hin, dass die Tiere in Gruppenhaltung vermutlich immer wieder die Rangordnung klären mussten. Auch war ihr Körpergewicht höher als bei den Männchen in Einzel- oder Paarhaltung. Darüber hinaus bauten Mäuse in Paarhaltung ihr Nest bevorzugt in der Käfigmitte an der Trennscheibe. Daraus schließen die Forschenden, dass die Tiere die Nähe des Nachbarn bevorzugen. Die Nester der Tiere in Paarhaltung waren auch komplexer als die der Tiere in Einzelhaltung. Diese beiden Ergebnisse könnten Hinweise darauf sein, dass die Tiere von der Paarhaltung profitieren, meint Ullmann. Zudem verdeutlichten die Unterschiede zwischen den Studiengruppen, dass in jedem Tierversuch bei der Planung und Auswertung sowie Berichterstattung das Haltungssystem berücksichtigt werden sollte.
Partnerhaltung in Stresssituationen noch nicht untersucht
„Die Haltungsbedingungen haben schon einen Einfluss auf die Tiere. Allerdings sind die Verbesserungen nicht so groß, als dass man jetzt komplett auf Partnerhaltung umstellen müsste“, betont Kristina Ullmann. Die für die Studie angeschafften Paarhaltungs-Käfige an der Charité würden derweil für laufende Experimente weiter genutzt.
Es lohne sich jedoch zu untersuchen, ob die Paarhaltung unter Stressbedingungen etwa nach einer Operation vielleicht doch die bessere Lösung sei. „Wir haben zwar gesehen, dass die Mäuse sehr anpassungsfähig sind und sich offensichtlich wohlfühlen. Aber das bedeutet nicht, dass sich das Wohlergehen nicht noch steigern ließe, auch wenn die gesetzlichen Anforderungen an die Tierhaltung bereits jetzt voll erfüllen.“
Text: Beatrice Hamberger
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Originalpublikation: Hohlbaum K, Frahm S, Rex A, Palme R, Thöne-Reineke C, Ullmann K. Social enrichment by separated pair housing of male C57BL/6JRj mice. Sci Rep. 2020 Jul 7;10(1):11165. doi: 10.1038/s41598-020-67902-w. PMID: 32636413; PMCID: PMC7341880.
Kontakt
Dr. med. vet. Kristina Ullmann
Director Animal Welfare
NUVISAN ICB GmbH
Stellvertretende Leitung der Geschäftsstelle, Koordination Kommunikation und ÖffentlichkeitCharité – Universitätsmedizin Berlin
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