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gelbliche Zelle unter dem Mikroskop, Copyright des Fotos bei National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID)

Meldung

20.05.2021

Corona könnte Paradigmenwechsel vorantreiben

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Einige Aspekte menschlicher Krankheiten lassen sich am besten in humanen Modellen erforschen. Die Corona-Pandemie macht das gerade sehr deutlich. Der stellvertretende Sprecher von Charité 3R, Prof. Andreas Thiel, sieht in dieser Situation eine riesige Chance, den Wechsel zu humanbasierten Modellen in der Forschung voranzutreiben.

Als die Corona-Pandemie Anfang 2020 aus China anrollte, war Prof. Dr. Andreas Thiel sofort klar: Die mysteriöse Lungenerkrankung wird wichtiges Thema sein. Thiel befasst sich am Berlin-Brandenburg Center for Regenerative Therapies (BCRT) mit dem menschlichen Immunsystem, insbesondere mit dem alternden Immunsystem. Gleichzeitig ist er einer der Initiatoren des neuen Forschungsbaus „der Simulierte Mensch“ (Si-M), ein gemeinsames Projekt von Charité und Technischer Universität (TU) Berlin, in dem ab 2023 humane Modellsysteme wie Organ-on-a-chip oder Organoide entwickelt werden. Aber nicht nur: Die Forschenden wollen auch direkt menschliche Zellen aus dem Blut nutzen, um Krankheiten besser zu verstehen und neue Therapien zu entwickeln. „Die Methoden sind da“, sagt Thiel, „und sie bewähren sich gerade in der Pandemie.“

Die Zeit ist reif für tierfreie Methoden 
Dass direkte Zellanalysen oder menschliche Lungenmodelle in einigen Bereichen der biomedizinischen Forschung an die Stelle von Tierversuchen treten, ist eine schleichende Entwicklung. Doch Corona könnte Schrittmacher für einen echten Paradigmenwechsel sein, hofft Thiel. „Die Zeit ist reif, dass sich diese Methoden jetzt durchsetzen“, sagt er.

Tatsächlich können Forscher aus Zellen im Blut eines Menschen sehr detaillierte Informationen darüber gewinnen, wie das humane Immunsystem auf SARS COV-2 reagiert. In einem Mausmodell ist das aus naheliegenden Gründen nur sehr eingeschränkt möglich. Der stellvertretende Sprecher von Charité 3R nutzt diese humanen Methoden derzeit in der „Charité Corona Cross“ Studie, die er im Frühjahr 2020 gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Charité, der TU Berlin, dem Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik und dem Robert Koch-Institut ins Leben gerufen hat.

Dabei geht es um die wichtige Frage der Kreuzreaktivität zwischen SARS COV-2 und den vier „harmlosen“ Corona-Viren. Expertinnen und Experten schätzen, dass diese Viren hierzulande ungefähr 30 Prozent der saisonalen Erkältungen verursachen. Doch sind Menschen, die schon früher Kontakt zu Coronaviren hatten, auch besser vor SARS-COV-2 geschützt und erkranken möglicherweise nicht so schwer? 

Charité Corona Cross weist Kreuzreaktionen nach
Analysen von reaktiven T-Helferzellen aus dem Blut von 900 Studienteilnehmenden aus Berlin zeigen: Jede*r hat Gedächtniszellen, die sich an mindestens ein heimisches Coronavirus erinnern können, zu einem bestimmten Anteil im Blut. Und: Selbst wenn die Probandinnen und Probanden nachweislich nie mit SARS-COV-2 in Kontakt gekommen sind, können die Immunzellen mitunter das neuartige Virus erkennen. So wurden in jedem dritten Fall die Gedächtniszellen aktiviert, wenn den T-Helferzellen Bruchstücke des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 präsentiert wurden. 

„Eine Eigenschaft der T-Helferzellen ist, dass sie nicht nur von einem exakt ‚passenden‘ Erreger aktiviert werden können, sondern auch von ‚ausreichend ähnlichen‘ Eindringlingen“, erläutert Thiel. Dazu passe der Fund, dass die Gedächtniszellen auf SARS-CoV-2 reagierten, obwohl sie diesen Erreger noch nicht kannten. „Per Definition haben wir es hier mit einer Kreuzreaktion zu tun“, so der Immunologe. 

Gedächtniszellen scheinen kein Risikofaktor zu sein
Welche Effekte die im Labor nachgewiesene Kreuzreaktion auf den Krankheitsverlauf hat, werden weitere Analysen zeigen. Inzwischen haben sich einige der Probandinnen und Probanden mit SARS-COV-2 angesteckt. Richtig schwer ist die Erkrankung bei keinem verlaufen. Das deutet zumindest daraufhin, dass die Kreuzreaktion kein Risikofaktor für einen schweren Krankheitsverlauf ist. Mehr will Thiel zum augenblicklichen Zeitpunkt noch nicht verraten, denn die Auswertung ist noch nicht ganz abgeschlossen. 

In der Studie wurden den Teilnehmenden – Kita-Personal sowie Bewohnerinnen, Bewohnern und Personal aus Pflegeheimen – neben Blutproben zur Bestimmung von Immunzellen und Antikörpern auch Rachenabstriche und Speichelproben abgenommen, die anschließend mit PCR-Tests analysiert wurden. Erkrankte einer von ihnen an COVID-19-typischen Symptomen, wurden die Tests wiederholt. Dadurch können die Forscher rückblickend die immunologischen Parameter mit dem Verlauf der Erkrankung in Beziehung setzen.

Die Untersuchungen von Blut, Serum, Speichel und Rachensekret sind aufwändig. Doch mit Hilfe der neuen Technologien können an nur einem Tag die Proben von 20 Probanden auch in komplexen Tests analysiert und die Daten dann sogar ausgewertet werden. Diesen Durchsatz schafft normalerweise kein normales Labor. Die bahnbrechenden Möglichkeiten hat auch das Bundesgesundheitsministerium erkannt. Das Ministerium finanziert „Charité Corona Cross“ mit 2,3 Millionen Euro. 

Neue Studie mit Geimpften
„Vor Corona wäre so eine Förderung undenkbar gewesen“, betont Andreas Thiel. Doch nun, wo Zellanalysen an Aufmerksamkeit gewonnen haben, können sie dank einer Anschlussfinanzierung ihr volles Potenzial entfalten. Seit Beginn des Jahres 2021 wird die Studie mit geimpften Probanden fortgesetzt. Die Forschergruppe will analysieren, ob eine vorhandene Teilimmunität die Impfantwort auf die COVID-19-Impfung verstärkt. Denkbar wäre aber auch der umgekehrte Fall oder sogar eine Fehlreaktion des Immunsystems. „Es ist wichtig, dass wir die Begleitforschung sofort machen und nicht warten, bis die halbe Bevölkerung geimpft ist“, meint Thiel. 

Parallel ist er auch in immunologische Projekte des Nationalen Forschungsnetzwerks COVID-19 eingebunden – ein vom BMBF geförderter Zusammenschluss der deutschen Universitätskliniken. Dass hier jetzt menschliche Lungenmodelle und Organoide benutzt werden, um die pathologischen Mechanismen von SARS-COV-2 zu studieren, ist gut so. „Es macht einfach keinen Sinn, das an Mäusen zu erforschen, weil die andere Rezeptoren haben“, sagt Thiel. Insofern habe die Pandemie sogar auch eine gute Seite. „Wir können jetzt der ganzen Welt zeigen, welche Bedeutung humane Modelle in der Erforschung von menschlichen Krankheiten haben. Das ist eine riesige Chance.“

(Text: Beatrice Hamberger)

Links

Arbeitspruppe Prof. Andreas Thiel

CCC Charité Corona Cross Studie

Der Simulierte Mensch

Publikation: SARS-CoV-2-reactive T cells in healthy donors and patients with COVID-19
 

Kontakt

Dr. Julia Biederlack

Stellvertretende Leitung der Geschäftsstelle, Koordination Kommunikation und ÖffentlichkeitCharité – Universitätsmedizin Berlin

Postadresse:Charitéplatz 110117  Berlin

Campus- bzw. interne Geländeadresse:Reinhardtstr. 58 | 10117 Berlin



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