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Förderziel

Die Verminderung von Leiden, Stress und Schmerzen in der Haltung von Versuchstieren und während eines Tierversuchs sind zentraler Baustein im 3R-Konzept. Das 'Refinement' tritt neben den Bereichen ‚Reduce‘ und ‚Replace‘ oft in den Hintergrund, ist aber für das Tierwohl von Versuchstieren von entscheidender Bedeutung. Mit einer Anschubfinanzierung von bis zu 100.000 Euro pro Projekt unterstützt Charité 3R mit dieser Förderung deshalb Forschungsprojekte, die unmittelbar dem Aspekt des Refinements an der Charité dienen.

Aktuell geförderte Forschungsprojekte

NEU seit 2023: Quantifizierung von positiver Verstärkung in Laborschweinen

Schematische Darstellung des Trainings vom Schwein mittels positiver Verstärkung für die Untersuchung eines abdominalen Aortenaneurysmas. Bildrechte: Dilyana Mangarova. Created with BioRender.com

Ziel dieses Forschungsprojekts ist es, den Stress von Schweinen im Tierversuch mit Hilfe eines speziellen Trainings und über das Prinzip der positiven Verstärkung zu minimieren. Dabei sollen die Tiere per Klickertraining an verschiedene Untersuchungsmethoden gewöhnt werden und auf diese Weise ihre Angst verlieren. In dem Projekt „Quantifying training success with positive reinforcement techniques in laboratory pigs“ wollen Dr. Dilyana Mangarova und Dr. Julia Brangsch von der Klinik für Radiologie gemeinsam mit Forschenden des Bundesinstituts für Risikobewertung einen reproduzierbaren Trainingsplan für Schweine in Versuchstierhaltungen entwickeln.

Schweine werden für die Erforschung und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vielfach genutzt, da diese dem Menschen in Bezug auf die Größe ihrer Organe und ihre Anatomie sehr ähnlich sind. Sie werden beispielsweise eingesetzt, um spezielle humanmedizinische Operationstechniken zu erlernen, bevor diese am Menschen angewendet werden. In dem aktuellen Projekt wird mit Hilfe von bildgebenden Verfahren an Schweinen das abdominale Aortenaneurysma (AAA), eine krankhafte Erweiterung der Bauchschlagader, erforscht.

Für die Untersuchung der Schweine müssen diese allerdings häufig fixiert werden, beispielsweise für medizinische Eingriffe wie Medikationen oder für klinische Untersuchungen. Dies kann zu Stressreaktionen führen, die die Gesundheit der Tiere beeinträchtigen. Darüber hinaus kann Stress die Forschungsdaten beeinflussen sowie die Reproduzierbarkeit und damit auch das Translationspotenzial verringern.

Durch das Klickertraining sollen die Schweine an verschiedene Untersuchungsmethoden gewöhnt werden indem das Tier jedes Mal eine Belohnung erhält, sobald es eine erwünschte Verhaltensweise zeigt. Auf diese Weise erlernen die Schweine kooperatives Verhalten und das Wohlbefinden der Tiere und die Toleranz gegenüber medizinischen Eingriffen werden gesteigert. Der Trainingserfolg soll zudem anhand physiologischer Parameter kontaktlos über unterschiedliche Geräte (smarte Ohrmarken, Kameras, Biomonitore) gemessen und quantifiziert werden. 

Analyse der Grimassenskala von Mäusen mit fixiertem Kopf zur Stressprävention in Echtzeit über ein tiefes neuronales Netzwerk

Die Kopf-Fixierung von Mäusen ist seit 60 Jahren fester Bestandteil der Forschung und wird für modernste Experimentalansätze wie Wachverhalten, Multiphotonen-Bildgebung und intrazelluläre Aufzeichnungen verwendet.

Die absolute Ruhigstellung des Kopfes während der Aufnahme ist Voraussetzung für viele neurophysiologische Aufzeichnungsmethoden. Ohne sie wären diese Methoden, die zum Verständnis der Hirnfunktion beisteuern, wesentlich eingeschränkt. Der Nachteil besteht jedoch darin, dass Stress hervorgerufen werden kann. Wir schlagen eine neue Methode zur Auswertung von Stress während der Kopf-Fixierung vor, indem wir ein künstliches neuronales Netz verwenden, um das Stressniveau anhand der Grimassenskala zu analysieren. Dieses System ist einfach zu implementieren und erfordert nur eine Kamera und einen Computer für die Live-Analyse, um den Forschenden zu informieren, wenn das Tier mit fixiertem Kopf Anzeichen von Stress zeigt, damit das bestmögliche Wohlergehen gewährleistet werden kann.

Lebensraum- und Verhaltensanreicherung in Langzeitstudien zur Alterung im Kleintiermodell

Überblick der Käfige, die zur Lebensraumanreicherung verwendetet werden sollen. Copyright bei S. Moosburner
Überblick der Käfige, die zur Lebensraumanreicherung verwendetet werden sollen | © S. Moosburner

Aufgrund einer alternden Weltbevölkerung (bis 2050 >2 Mrd. Menschen >60 Jahre) und einer daraus resultierenden Fokussierung auf die Untersuchung altersassoziierter Erkrankungen, wird der Bedarf an älteren Versuchstieren wachsen. Verhaltensstudien legen jedoch nahe, dass die standardisierte, von Stimuli weitgehend abgeschirmte Langzeithaltung einen unabhängigen Belastungsfaktor für die Nager darstellen könnte. Ziel der Studie ist es daher, kostengünstige und leicht implementierbare Lösungsschritte (sensorische Stimuli, Bewegungs- und Explorationsangebote) zur sensorischen Anreicherung des Alterungsprozesses zu entwickeln, zu dokumentieren und ihre Auswirkung auf physiologische Parameter (wie z. B. Seneszenz und Metabolismus) zu untersuchen. Unser Vorhaben soll durch die Kooperation mit der Forschungseinrichtung für experimentelle Medizin (FEM) und weiteren Fachwissenschaftler*innen unterstützt und erweitert werden.

Entwicklung von Verfeinerungsmethoden zur Verbesserung des Tierschutzes in Mausmodellen für Leberkrebs

Für die biomedizinische Forschung sind Mausmodelle bisher unersetzbar. Viele Krankheitsmodelle erfordern eine langfristige Behandlung der Tiere mit häufigen Interventionen, wie z. B. Injektionen, die eine hohe Stressbelastung für die Tiere zur Folge hat. Anhand zweier Modelle für das hepatozelluläre Karzinom soll ein Trainingsprogramm entwickelt werden, welches die Tiere an die häufigen Interaktionen mit Wissenschaftlern gewöhnt und somit die Stressbelastung senken kann. Zusätzlich soll ein weniger belastendes Verfahren zur intraperitonealen Injektion entwickelt werden. Diese Methoden sind auf viele andere Mausmodelle übertragbar und haben somit das Potential, die Belastung einer großen Anzahl von Versuchstieren langfristig zu senken. Dieses Projekt ist eine Zusammenarbeit von Wissenschaftler*innen der Charité - Universitätsmedizin Berlin und der Tiermedizinischen Hochschule Hannover.

Alternativmethoden zur Messung der rektalen Körpertemperatur im Tiermodel

Die Körpertemperatur ist ein wichtiger Parameter um den Schweregrad allergischer Reaktionen auf unterschiedliche Allergene im Tiermodel zu untersuchen. Zu diesem Zweck werden üblicherweise rektale Thermometer verwendet. Diese Methode erfordert jedoch, dass die Tiere einem stressigen Verfahren unterzogen werden. Der Stress kann wiederum die Körpertemperatur beeinflussen und die Temperaturmessungen weniger zuverlässig machen. Um diese stressbedingten Auswirkungen auf die Temperaturmessung besser zu verstehen und die Einschränkungen sowohl bzgl. des Tierwohls wie auch bzgl. der Datengenauigkeit zu verbessern, bedarf es alternativer Messmethoden.

Möglichkeiten sind die nichtinvasive Verwendung von Infrarot-Thermometern und Temperatur-Transpondern. Beide Methoden ermöglichen berührungslose Temperaturmessungen, die zur Stressreduktion im Tiermodell beitragen könnten. Bisher gibt es keine zuverlässigen Studien zum Vergleich der Rektaltemperaturmessung und der Verwendung von Infrarot-Thermometern und Temperatur-Transpondern im Allergie-Maus-Modell. Daher sind vergleichende methodische Studien erforderlich, um die genannten Einschränkungen zu überwinden und das Tierwohl zu verbessern.

In diesem Projekt soll die gängige rektale Messmethode mit der Anwendung von nichtinvasiven Infrarot-Thermometern und Temperatur-Transpondern verglichen werden. Somit können Tierwohl und Datenzuverlässigkeit in systemischen Allergiemodellen massiv verbessert werden. Die Ergebnisse der Studie lassen sich leicht auf andere wissenschaftlich-experimentelle Ansätze übertragen, bei denen die Temperaturerfassung von erheblicher Bedeutung ist. Somit werden die gewonnenen Erkenntnisse nicht nur in der Allergieforschung Anwendung finden, sondern auch in Bereichen wie beispielsweise der Endokrinologie-, Diabetes- und Kardiovaskulären Forschung.

Verfeinerung eines Coxsackievirus B3 akuten Myokarditis-Mausmodells durch Analgesie mit Tramadol

Eine Entzündung des Herzmuskels kann durch Viren ausgelöst werden. Die klinische Symptomatik manifestiert sich oft nach einem zunächst harmlos verlaufenden Viruseffekt im Gastrointestinal- oder Respirationstrakt. Für Untersuchungen zu den Grundlagen sowie für  Fragestellungen zur therapeutischen Behandlung nutzen Forscher*innen unter anderem Mausmodelle. Im hier verwendeten Mausmodel wird Mäusen ein Virus (CoxsackievirusB3 (CVB3)) gespritzt und nach wenigen Tagen entwickeln die Mäuse eine Herzmuskelentzündung. Neben den Zellen des Herzmuskels kann das CVB3 auch andere Organe befallen. Im Vordergrund steht dabei eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse, die Schmerzen verursachen kann. Ziel dieses Refinement-Projekts ist es, die Effekte der Therapie mit dem Schmerzmittel Tramadol zu untersuchen. Es soll geprüft werden, inwieweit eine Tramadolgabe die Schmerzen lindern kann und ob sie Auswirkungen auf die Immunantwort und den Phänotyp der Virus-vermittelten Herzmuskelentzündung hat. Dazu kommt ein harmonisiertes Bewertungssystem für die Überwachung der Tiere zur Anwendung. Standardisierte Messparameter ermöglichen eine synergistische Datenanalyse des Effekts von Tramadol auf die verschiedenen Phasen der Infektion.

Projekte mit abgeschlossener Förderung

Allein – aber nicht isoliert

Mäuse sind soziale Lebewesen. Deshalb werden sie in Gruppen gehalten. Ausnahmen gibt es, wenn einzelne Tiere – meist Männchen – sich nicht in den Verband eingliedern oder aggressiv gegen ihre Artgenossen werden. Diese Tiere müssen zur Schutz der individuellen Gesundheit einzeln in Käfigen gehalten werden und können so nicht mehr sozial interagieren.

In diesem Refinement-Vorhaben wollen die Forschenden eine neue Haltungsmethode für Tiere in Einzelhaltung erproben: Sie sollen in Partnerhaltung vergesellschaftet werden. Dazu werden spezielle Käfige angeschafft, in denen einzelne Segmente durch sicht-, gehör- und geruchsdurchlässige Elemente voneinander abgetrennt werden. So können mehrere Tiere in einem Käfig leben, die sich auch wahrnehmen und einen gewissen Austausch haben können – ohne sich gegenseitig zu verletzen oder zu stören.

Das neue Käfigsystem muss selbstverständlich den üblichen Vorschriften entsprechen; die Tiere müssen ausreichend Platz, Nistmaterial, Nagehölzer und ständigen Zugang zu Wasser und Futter haben. Auch die hygienischen Standards dürfen nicht unterschritten werden. In dem Vorhaben werden männliche und weibliche Mäuse in dem neuen Käfigsystem gehalten. Analysiert werden Indikatoren für das Wohlbefinden und den Stress der Tiere. So will das Team feststellen, ob die separierte Partnerhaltung mit Kontaktmöglichkeit auf das Wohlbefinden von Mäusen einen positiven Einfluss hat.

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Ein besseres Untersuchungsmodell für Herzmusekelentzündungen

Eine Herzmusekelentzündung, auch als Myokarditis bezeichnet, kann durch Pathogene wie Viren und Bakterien, durch toxische Effekte oder durch eine gegen Herzproteine gerichtete Autoimmunerkrankung ausgelöst werden. Um den Krankheitsprozess einer Myokarditis besser zu verstehen und darauf basierend neue Therapieansätze zu entwickeln, setzen Forscher in der Regel ein Mausmodell ein, in dem eine Herzmuskelentzündung durch eine Infektion mit spezifischen Viren ausgelöst wird. Diese Viren können neben dem Herz auch andere Organe wir die Bauchspeicheldrüse befallen, was zu einer zusätzlichen Belastung der Versuchstiere führt.

In dem aktuellen Forschungsvorhaben wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Tiermodell der viralen Myokarditis verbessern, so dass die Infektion auf den Herzmuskel beschränkt bleibt und andere Organe nicht mehr betroffen werden. Gelingt dies, können die Ursachen der entzündlichen Herzmuskelerkrankung besser untersucht werden. Sowohl die Belastung als auch die für die Experimente benötigten Versuchstiere sollen dadurch reduziert werden.

Klinische Überwachung ohne Stress

Versuchstiere müssen ständig überwacht werden. Nur dann können Wissenschaftler feststellen, ob die Tiere ausreichend fit für einen Versuch sind – oder ob sie im Versuch unzumutbar leiden.Die meisten Methoden zur Kontrolle des Gesundheitszustandes sind jedoch für die Versuchstiere selbst belastend: So werden Mäuse oder Ratten zur Sichtkontrolle aus dem Käfig herausgehoben, was mit Stress verbunden ist. Eine andere Methode besteht darin, das Nestbauverhalten der Tiere zu überwachen; bauen sie ihre Nester nachlässig, ist das ein Indiz dafür, dass es ihnen schlecht geht. Gerade Tiere, die frisch operiert worden sind, brauchen aber ein gut gebautes, wärmendes Nest mit Eigengeruch, um sich erholen zu können – und keinen anstrengenden Nestbau.

Ziel dieses Projekts ist es, eine kontinuierliche und stressfreie Kontrolle der Versuchstiere zu ermöglichen. Dazu wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedene moderne Techniken kombinieren: So sollen Laufräder zum Einsatz kommen, die die individuelle Laufleistung von Mäusen und Ratten messen können. Eine Apparatur zur Messung der Griffstärke stellt fest, wenn die Tiere Muskelkraft verlieren. Und ein Aufenthaltssensor misst kontinuierlich, wo sich die Tiere im Käfig befinden: Bewegen sie sich regelmäßig zum Wasserspender und nehmen genug Flüssigkeit auf? Bleiben sie zu lange im Nest, was auf Unwohlsein schließen lässt? Eine Sensorplatte im Käfig kann solche Bewegungsmuster aufzeichnen.

Aus der Fülle der vom kombinierten Kontrollsystem automatisch gelieferten Daten wollen die Forschenden Kriterien ableiten, die sichere Rückschlüsse auf das Wohlbefinden der Tiere zulassen. Damit soll es möglich werden, Handling-Stress und Schmerz zu reduzieren und Versuche datenbasiert beendet werden können, bevor Versuchstiere unzumutbar leiden.

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Refinement in der Tierhaltung der Forschungseinrichtungen für Experimentelle Medizin (FEM)

Die Forschungseinrichtungen für Experimentelle Medizin (FEM) der Charité definieren auf Basis der gesetzlichen Vorgaben die Standards für die Haltung von Versuchstieren an der Charité. Die Qualität ist entscheidend für den gesamten biomedizinischen Forschungsprozess, von der Zucht bis zur experimentellen Haltung. Darüber hinaus bilden die FEM Tierpflegende aus und qualifizieren das wissenschaftliche Personal für die Durchführung von Tierversuchen. Im Rahmen dieses Projekts entwickelt die FEM die Standardhaltung durch innovative Refinement-Maßnahmen in der Zucht und Haltung, der Fort- bzw. Weiterbildung und begleitend zu laufenden genehmigten Projekten im Sinne eines innovativen Tierschutzes weiter, über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Folgende Schwerpunkte werden dabei gesetzt:

  • Digital unterstützte Überwachung des Wohlbefindens der Tiere
  • Verbesserung der postoperativen Nachsorge
  • Verbesserung der Interaktion zwischen Mensch und Tier
  • Vervielfältigung der Möglichkeiten zur sozialen Interaktion zwischen den Tieren

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Besseres Untersuchungsmodell für Herzmuskelentzündungen

Eine Herzmusekelentzündung, auch Myokarditis genannt, kann durch Viren und Bakterien, toxische Effekte oder durch eine gegen Herzproteine gerichtete Autoimmunerkrankung ausgelöst werden. Ziel der Forschung ist es, Krankheitsprozesse tiefgründig zu verstehen und darauf basierend neue Therapieansätze zu entwickeln. Dazu setzen Forscher ein Mausmodell ein, in dem eine Myokarditis durch Infektion mit spezifischen Viren ausgelöst wird. Diese Viren können neben dem Herz auch andere Organe wie die etwa die Bauchspeicheldrüse befallen. Dadurch werden die Versuchstiere zusätzlichen Belastungen ausgesetzt. Mit diesem Forschungsvorhaben wollen die Forschenden das Tiermodell der viralen Myokarditis soweit optimieren, dass die Infektion auf den Herzmuskel beschränkt bleibt und andere Organe nicht mehr betroffen werden. Gelingt dies, können die Ursachen der entzündlichen Herzmuskelerkrankung besser untersucht werden. Sowohl die Belastung als auch die für die Experimente benötigten Versuchstiere sollen dadurch reduziert werden.

Besseres Untersuchungsmodell für Herzmuskelentzündungen,  Vortrag von Dr. Sandra Pinkert beim Charité 3R Symposium 2021
© Sandra Pinkert 2021

Bessere Schmerztherapie für Labormäuse in der Knochenforschung

Störungen in der Frakturheilung treten bei etwa 5 bis 10 Prozent der Patienten mit Knochenbrüchen auf. Folglich wird intensiv an neuen therapeutischen Strategien geforscht – vor allem im Tiermodell. Die Nutzung von Tieren in der Forschung ist an Voraussetzungen wie die sorgfältige, schonende und artgerechte Behandlung der betroffenen Tiere gebunden. Die Schmerzerkennung und -behandlung bei Labortieren, insbesondere der Labormaus, ist anspruchsvoll, und auch heute stehen nur wenige wissenschaftlich evaluierte Schmerzbehandlungsprotokolle für Mäuse zur Verfügung. Im Rahmen des geförderten Projektes möchten Dr. Annemarie Lang und Dr. Anna Rapp das derzeitige Regime zur Schmerzbehandlung weiter verbessern und ein neues Buprenorphin-Retard-Präparat testen. Buprenorphin ist ein stark wirksames Schmerzmittel aus der Gruppe der Opioide. Bislang muss es etwa alle 6 bis 8 Stunden gespritzt werden, was eine enorme Stressbelastung für die Mäuse bedeutet. Ein Retard-Präparat setzt dagegen über 24 bis 48 Stunden gleichmäßig den schmerzstillenden Wirkstoff frei. Ein solches Präparat würde nicht nur die wiederholten Injektionen mehrmals täglich ersetzen, sondern aufgrund des kontinuierlichen Wirkstoffspiegels die Tiere vermutlich auch besser vor Schmerzen schützen. Das Projekt zielt also auf eine bessere und stressfreiere Schmerzbehandlung für Labormäuse ab. Die Berliner Forscherinnen arbeiten dabei mit Experten der Universitäten Zürich und Basel, sowie der FU-Berlin zusammen.

Bessere Schmerztherapie für Labormäuse in der Knochenforschung, Vortrag von Dr. Annemarie Lang auf dem Charité 3R Symposium 2021
© Annemarie Lang 2021

Berührungslos Veränderungen der Körpertemperatur messen

Bei der Therapie von Patienten, ebenso wie in der klinischen und präklinischen biomedizinischen Forschung ist die engmaschige Überwachung des Gesundheitszustandes der Patienten unabdingbar. Dabei stellt die Körpertemperatur einen überaus wichtigen, objektiv messbaren und bei unterschiedlichen Pathologien regulierten Vitalparameter dar. Besonders bei Infektionen sind Veränderungen der Körpertemperatur, wie sie sich beim Mensch als Fieber, bei kleinen und sehr stoffwechselaktiven Säugetieren in Form von Hypothermie äußern, zudem aufschlussreich für die Beurteilung des aktuellen Krankheitszustandes und des Krankheitsverlaufes.

In der tierexperimentellen Forschung erfordern die derzeit verwendeten Messmethoden den direkten Tierkontakt oder die chirurgische Implantation von Microchip-Temperaturtranspondern. Diese Maßnahmen provozieren aber nicht nur Stress und Belastung für das Tier, sondern können auch ihrerseits zu einer Veränderung der Körpertemperatur führen. In diesem Projekt wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern den Einsatz einer berührungsfreien Methode unter Verwendung einer speziellen Wärmebildkamera evaluieren, mit der Veränderungen der Körpertemperatur bei der Maus bestimmt werden können, während sich das Tier ungestört in seiner gewohnten Gruppe und Käfigumgebung aufhält. So soll es möglich werden, krankheitsbedingte Veränderungen der Körpertemperatur bei der Maus valide und stressfrei zu messen und gleichzeitig die Belastung, die zusätzlich durch die herkömmliche Temperaturmessung verursacht wird, im Sinne des Refinements deutlich zu reduzieren. Darüber hinaus ist geplant, mittels Videoaufzeichnungen mehrere Tiere einer Gruppe gleichzeitig aufzunehmen und so die Untersuchungszeit direkt am Tierkäfig noch weiter zu reduzieren.

Messung der Herzleistung – ohne Katheter

Herz-Untersuchungen, bei denen die Leistungsfähigkeit des Herzens exakt bestimmt werden soll, sind aufwändig: häufig muss ein Herzkatheter verwendet werden. Bei Versuchstieren wie Mäusen verursacht der Katheter Schäden an den Blutgefäßen, so dass Forschende das Tier anschließend töten müssen. Nicht nur, dass die Maus damit verloren ist – auch Verlaufsuntersuchungen sind ausgeschlossen. Mittlerweile gibt es auch Methoden, bei denen die exakte Leistungsfähigkeit des Herzens nicht-invasiv, sondern rechnerisch bestimmt wird. Dabei spielen Daten zum Blutdruck und aus Ultraschall-Untersuchungen eine wichtige Rolle. Auch die Konzentration von Inhaltsstoffen des Blutserums (Biomarker) kann Aufschluss geben. Während das Verfahren für den Menschen bereits etabliert ist, fehlen entsprechende Erfahrungen für Mäuse.

Hier wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Abhilfe schaffen. Ihr Team hat große Erfahrung bei Herzuntersuchungen an Mäusen mit Ultraschall und verfügt über eine hochmoderne technische Ausstattung dafür. Diese Technik wollen die Forschenden bei gesunden Mäusen ebenso einsetzen wie bei Tieren mit Herzschäden. Die Ergebnisse werden dann mit weiteren Messdaten zu Blutdruck oder Biomarkern kombiniert und so die Druck-Volumen-Beziehung nicht-invasiv bestimmt. Für eine Bestätigung ihrer Berechnungen müssen die Wissenschaftler die Tiere in diesem Vorhaben zwar letztlich invasiv, also mit Herzkathetern untersuchen und anschließend töten. Die Ergebnisse könnten allerdings dazu beitragen, dass künftig Tiere bei Herz-Untersuchungen weniger leiden weil kein Herzkatheter mehr benötigt wird. Zudem erhofft sich das Team eine Reduktion der Versuchstierzahlen: Ist das nicht-invasive Verfahren etabliert, bleiben die Tiere in Zukunft nach den Untersuchungen am Leben.

Neue Ex-vivo-Methode "Isoliert-perfundierte Arterie" (IPA)

Erkrankungen der arteriellen Gefäße wie die Arteriosklerose zählen zu den Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sind nach wie vor die häufigste Todesursache in Industrieländern. In der Gefäßforschung und Testung von neuen Therapieansätzen werden Tierversuche eingesetzt, da die komplexen Eigenschaften von Arterien mit der Notwendigkeit eines „Blutflusses“ in vitro - also im Reagenzglas oder in der Petrischale - nicht nachgeahmt werden können. Eine Alternative stellen Untersuchungen an Arterien dar, die einem Versuchstier entnommen und im Labor kultiviert, aber nicht durchblutet werden. Die Methode nennt sich ex vivo (lateinisch für „außerhalb des Lebendigen“). Markus Tölle und Mirjam Tölle-Schuchardt haben daher eine „isoliert-perfundierte Arterie“ entwickelt, die eine Durchblutung (Perfusion mit einem Puffer) der Arterie unter physiologischen Bedingungen über einen längeren Zeitraum ermöglicht. Im geförderten Projekt wollen die beiden Forscher die neue Ex-vivo-Methode nun so optimieren und vereinfachen, dass sie in der Gefäßforschung breite Anwendung finden kann. So soll das neue Verfahren insbesondere in der vorklinischen Testphase von Medikamenten Tierversuche mit hohem Belastungsgrad weitgehend ersetzen.

Objektive Belastungstest sollen unbemerktes Leid verhindern

Um das Immunsystem zu erforschen, arbeiten Immunologinnen und Immunologen mit Mäusen, die genau definierte genetische Veränderungen in ihrem Abwehrsystem haben. Es gibt gegenwärtig keine Hinweise darauf, dass solche Tiere, wenn sie pathogenfrei gehalten werden, in irgendeiner Weise belastet sind. Dennoch ist es auf Grund der vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Immunsystem und Nervensystem nicht auszuschließen, dass Immundefekte indirekt eine Belastung verursachen. Allerdings sind solche subklinischen Belastungen, die bei genetisch veränderten Tiere auftreten können, schwierig zu beurteilen, da es an objektiv messbaren Größen zur Beurteilung fehlt.

Dieses durch Charité 3R geförderte Forschungsvorhaben will daran etwas ändern. Die Belastungsmessung soll nicht mehr im Analogieschluss vom Menschen auf das Tier erfolgen, sondern aufgrund von tierbasierten wissenschaftlichen Daten.

Dafür will das Team ein an der Berlin-Brandenburger Forschungsplattform entwickeltes Verfahren für operierte Tiere auf die Beurteilung von immun-defizienten Mäuse übertragen. Das Verfahren umfasst verschiedene Methoden, die tierbasierte Aussagen über das Wohlbefinden der Mäuse möglich machen: Das Verhalten der Tiere wird protokolliert und die Ausschüttung von Stresshormonen in Fell- und Kotproben gemessen. Untersucht werden sollen zwei verschiedene Stämme mit unterschiedlichen Immundefekten. Die gewonnen Ergebnisse sollen mit Messungen bei Wildmäusen verglichen werden. Das Team hofft, so eine objektive Belastungseinschätzung für gentechnisch veränderte Mäuse unter Standardbedingen zu ermöglichen – damit diese Mäuse nicht unbemerkt leiden.

Osteoarthrose: Schmerzen genau erfassen – und gezielt behandeln

Schmerzen in den Gelenken sind für viele Menschen tägliches Los: Weltweit leiden nahezu ein Fünftel aller Frauen und knapp ein Zehntel aller Männer über 60 Jahren unter Osteoarthrose. Da sich die Behandlung bisher fast ausschließlich auf die Schmerzlinderung beschränkt, suchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler intensiv nach neuen Therapien, mit denen sich die Ursachen der Krankheit bekämpfen lassen. Dabei sind sie auf den Einsatz von Tieren wie Mäusen und Ratten angewiesen, bei denen die Degeneration von Knorpelsubstanz in den Gelenken künstlich ausgelöst wird. In der Folge kommt es zur Einschränkung der Bewegungsfähigkeit; die Tiere entwickeln die für Osteoarthrose typischen Schmerzsymptome. Diese Schmerzen müssen möglichst genau festgestellt und überwacht werden, um ein übermäßiges Leiden der Versuchstiere verhindern und den Erfolg neuer Therapieansätze bestimmen zu können.

Zwei Wissenschaftlerinnen der Charité wollen mit ihrem aktuellen Refinement-Vorhaben dafür sorgen, dass die Schmerzen von Tieren, an denen Osteoarthrose erforscht wird, genauer gemessen werden können. Dazu planen sie die Einrichtung eines sogenannten Refinement-Bereichs in der Tierhaltung: Er wird mit moderner Ausrüstung ausgestattet, die eine sehr detaillierte Verhaltensanalyse von Mäusen zulässt: Ihre Gangeigenschaften können genauso bestimmt werden wie ihr Nestbau- und Grabeverhalten oder ihre Mimik. Vorrichtungen zur stressfreien Handhabung der Tiere reduzieren störende äußere Einflüsse.

In ihrem Refinement-Bereich wollen die Forschenden Parameter identifizieren und möglichst genau bestimmen, mit deren Hilfe der Schmerzzustand der Versuchstiere und Erfolge bei der Schmerzbehandlung spezifisch in der Osteoarthroseforschung gemessen werden können. Sie wollen aber auch das dabei gewonnene Wissen an andere Wissenschaftler weitergeben. So soll das Leiden der Tiere ebenso wie die Zahl der benötigten Tiere reduziert werden.

Das isolierte Großtierherz für die kardiovaskuläre Forschung

Links eine schematische Darstellung des Kreislaufs; rechts das isolierte Großtierherz im Versuch; Copyright: Charité 3R
Schematische Darstellung des Kreislaufs (links). Das isolierte Großtierherz im Versuch (rechts).

Tierversuche und insbesondere Experimente mit Schweineherzen sind für die kardiovaskuläre Forschung von essentieller Bedeutung. Um das Tierleid und gleichzeitig die Versuchsanzahl zu reduzieren, wollen die Charité-Forscher Dr. Marcus Granegger und PD Dr. Simon Sündermann das „isolierte Großtierherz“ etablieren. Hierfür verwenden sie Herzen von Schweinen, die im Rahmen anderer Versuche ohnehin zur Verfügung stehen. Ähnlich wie bei einer Organtransplantation werden die Herzen unter Vollnarkose explantiert. Die schnelle Entnahme des Herzens ist für ein Tier mit weniger Leid verbunden als der bisher übliche komplexe Eingriff. Nach der Organentnahme wird das Herz sofort an einen künstlichen Blut-Kreislauf angeschlossen: Das Herz beginnt zu schlagen und pumpt Blut unter exakt definierten Bedingungen. Diese Methodik erlaubt die genaue Quantifizierung der Herzmechanik, des Sauerstoffverbrauchs und der Blutströmung innerhalb der Herzkammern, und zwar viel besser als an lebenden Organismen, wo natürliche Abweichungen in der Durchblutung des Herzens bestehen. Dadurch wird vermieden, dass Experimente durch nicht standardisierte Bedingungen oder schlechte Datenqualität unbrauchbar sind und wiederholt werden müssen. Die Anzahl der notwendigen Tierversuche wird also in doppelter Hinsicht drastisch reduziert: Einmal, weil Forscher an einem isolierten Herzen etliche Versuche durchführen können, wofür sie herkömmlicherweise eine Vielzahl von Tieren benötigt hätten. Zum anderen werden Organe, die sonst weggeworfen würden, der kardiovaskulären Forschung zugeführt und somit sinnvoll weiterverwendet.

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